![]() |
Sprachbarrieren als Hindernisse auf dem Weg zur Inklusion
Wie jedes Jahr am 5. Mai ist heute der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Gemeinsam mit vielen Aktivistinnen und Aktivisten, die sich bundesweit für eine inklusive Gesellschaft einsetzen, möchte der Regionalverband autismus Ostwestfalen-Lippe e.V. auf die besonderen Bedürfnisse und unsichtbaren Barrieren von Menschen aus dem Autismus-Spektrum aufmerksam machen.
Nicht-Autisten, wir bezeichnen sie als neurotypische Menschen, wissen meistens gar nicht, mit welchen Hindernissen Autisten in der täglichen Kommunikation und im Umgang mit anderen konfrontiert werden. Doppeldeutigkeiten, Ironie, Metaphern und soziale Regeln sind für Menschen aus dem Autismus-Spektrum oft nicht erkennbar. Sie können zum Beispiel nicht von selbst erfassen, dass man sich bei einem Gespräch in die Augen blickt oder zur Begrüßung die Hand gibt. „Für uns neurotypische Menschen sind das selbstverständliche Abläufe bzw. ungeschriebene soziale Verhaltensregeln. Autisten benötigen dafür häufig soziale Dolmetscher, die ihnen erklären, worauf es bei einer wechselseitigen Kommunikation ankommt“, so Markus Schneider, Fachliche Leitung beim Familienunterstützenden Regionalen Integrations-Assistenzdienst für Menschen mit Autismus (FRIDA gGmbH), dessen Träger der Verein ist.
Im Alltag gibt es unzählige sprachliche Barrieren für Menschen aus dem Autismus-Spektrum: Ist von „hochgeklappten Bürgersteigen“ die Rede, befürchten sie vielleicht, dass sie in einen Graben fallen könnten, wenn der Gehweg fehlt. Auch Äußerungen wie „ein Brett vor dem Kopf haben“, „Tomaten auf den Augen“ oder „Du bringst mich auf die Palme“ verstehen Autisten meistens wortwörtlich. Wenn in der Schule die Lehrkraft mit einem ironischen Unterton in der Stimme sagt „Das hast Du ja mal wieder super gemacht“, hören neurotypische Menschen heraus, dass diese Äußerung kein Lob ist. Für viele Autisten ist die Ironie in dieser Aussage nicht erkennbar. Markus Schneider: „Aus Sicht der Menschen aus dem Autismus-Spektrum lügen wir neurotypischen häufig, weil wir nicht sagen, was wir meinen. Jeder von uns sollte sich daher bewusst überlegen, was er von sich gibt.“
In dem nachfolgenden Audio-Beitrag äußert sich ein Autist, ein Klient unseres Ambulant Betreuten Wohnens, zu sprachlichen Barrieren:
Zum Thema Sprache möchte autismus Ostwestfalen-Lippe e.V. noch dazu auffordern, das Wort Autismus nicht als Schimpfwort zu benutzen. In den Medien wird dieser Begriff häufig missbräuchlich verwendet oder zum Beispiel in der Politik benutzt, um Andersdenkende zu verunglimpfen. Am heutigen Protesttag geht es auch um die Belange der Eltern und Angehörigen von Autisten. „Gerade in der jetzigen Situation sind die Belastungen für die Familien, die die Corona-Pandemie mit sich bringt, enorm. Unsere Aufgabe als Träger vielfältiger Dienstleistungen für Menschen aus dem Autismus-Spektrum ist es, passgenaue Beratungsangebote bereitzustellen und uns weiterhin dafür einzusetzen, dass alle Menschen gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben können“, erklärt Markus Schneider.
Wegen der Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie muss der Protest der Menschen mit Behinderung auch in diesem Jahr wieder auf Online-Formate ausweichen. Auch dort zeigt sich das kreative Potential des Protestes, mit dem auf die weiterhin bestehenden Mängel und Versäumnisse bei Inklusion und Gleichstellung aufmerksam gemacht wird. Für die Region Ostwestfalen-Lippe sind auf der Webseite des Kompetenzzentrums Selbstbestimmt Leben des Regierungsbezirkes Detmold (KSL NRW) weitere Beiträge zum Protesttag eingestellt:
Homepage KSL NRW